Sogenannte Raubkopien sind, dank konstanter Medienpräsenz, zwar in aller Munde, doch worum geht es dabei eigentlich wirklich. Der Versuch (m)einer Antwort: Es geht um die Digitalisierung von Immaterialgütern und ein kaputtes Immaterialgüterrecht.
Immaterialgüter?
Die wesentliche Eigenschaft von Immaterialgütern ist, daß sie „stofflos“ sind, also nichts was man anfassen könnte. Es gibt oft ein Trägermedium, wie z.B. Papier, Schallplatte, oder heutzutage eher üblich, Festplatte oder Flash-Speicher, das Immaterialgut ansich hat aber unabhängig vom Trägermedium einen Wert – das Trägermedium ist austauschbar und das Werk läßt sich beliebig auf andere Träger kopieren. Im digitalen Zeitalter gelingt die Anfertigung einer Kopie verlustfrei (1:1) und kostenlos. Ein einzelnes Vervielfältigungsstück ist als solches also wertlos.
Das entspricht durchaus auch der gefühlten Realität. Bei Sachen wie z.B. einem Tisch entstehen Kosten bei der Herstellung jeden einzelnen Exemplars und es erscheint gerecht auch für jedes einzelne Stück bezahlen zu müssen. Bei einem Musikstück oder Software entstehen Kosten nur einmalig bei der Herstellung also einmal pro Werk, die Kosten für eine Kopie des Werkes also „proStück“ sind vernachlässigbar.
Das Recht
Unser Immaterialgüterrecht, z.B. das Urheberrechtsgesetz, ist mehr oder weniger eine 1:1 Kopie des Sachenrechts. Anstatt von Sachen wird von Vervielfältigungsstücken gesprochen doch diese werden dann behandelt als handle es sich um Sachen. Die speziellen Eigenschaften von Immaterialgütern werden dabei kaum berücksichtigt.
Nun ist unser Urheberrecht schon über 40 Jahre alt, massive Probleme damit gibt es aber erst seit ein paar Jahren. Wieso also gab es diese Probleme nicht schon immer? Die Antwort ist: Die Eigenschaften die ein Immaterialgut auszeichnen sind erst seit kurzem vollständig ausgeprägt, nämlich seit sie digital vorliegen.
Nehmen wir das Beispiel Musik: Früher kaufte man Musik auf Schallplatten. Eine Schallplatte konnte man durchaus kopieren, aber nicht 1:1. Typischerweise überspielte man sie auf Kompaktkassetten. Eine solche Kopie bedeute erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand und das Ergebnis unterschied sich deutlich vom „Original“ – die Qualität nahm durch das umkopieren deutlich ab. Die Kopie war keine Kopie sondern eine (minderwertige) Reproduktion. D.h. obwohl Musik schon immer ein Immaterialgut war, verhielt es sich im wesentlichen wie eine Sache. Solange Immaterialgüter sich im Wesentlichen wie Sachen verhielten, oder zumindest hinreichend ähnlich, war es naheliegende und legitim sie wie eine spezielle Art Sachen zu behandeln.
Die Ursache der Probleme die wir mit dem Immaterialgüterrecht haben ist also nicht das Internet – wie manchmal behauptet wird – sondern die Digitalisierung. Sobald ein Immaterialgut digitalisiert vorliegt fangen die Probleme an. Erst bei Software (die schon immer digital war), dann auch bei Musik und Texten und seit das Speichern und Kopieren von Datenmengen im Gigabytebereich kein Problem mehr darstellt auch bei Filmen.
Rechtsempfinden
Rechtlich gesehen erfüllt die unberechtigte Anfertigung einer Kopie den Tatbestand eines Diebstahls nicht einmal annähernd. Diebstahl ist die Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache, bei der Kopie haben wir einerseits keine Sache sondern ein Immaterialgut, andererseits wird nichts weggenommen. Raub setzt sogar die Anwendung von Gewalt oder zumindest die Drohung damit voraus, könnte hier also unzutreffender kaum sein.
Durch eine unerlaubte Kopie entsteht auch kein Schaden, der „Bestohlene“ hat das Werk danach immer noch, es ist auch nicht weniger oder schlechter geworden. Die Rechteindustrie spricht zwar immer gerne von entstandenem „Schaden“, was sie damit aber eigentlich meint ist „entgangener Gewinn“ – unter der Annahme der Kopierer hätte sich das Gut gekauft, wenn er es nicht kopiert hätte. Eine Annahme die auf tönernen Füßen steht.
Auch die Versuche der Rechteindustrie mit Unterstützung der Mainstream-Medien, durch kreative Wortschöpfungen wie „Raubkopie“ eine Kopie verbal in die Nähe eine bewaffneten Überfalls zu rücken und so den Anschein von Verwerflichkeit zu erzeugen haben vor diesem Hintergrund wenig Erfolg gezeigt.
Das Immaterialgüterrecht ist kaputt
Unser Immaterialgüterrecht ist den Anforderungen des digitalen Zeitalters nicht gewachsen und dies führt zu massiven Problemen.
- Das Rechtsempfinden der Bürger und die Rechtslage bewegen sich auseinander.
- Durch die Abrechnung „pro Stück“ besteht kein erkennbarer Zusammenhang mehr zwischen erbrachter Leistung und erziehltem Gewinn.
Ein derart kaputtes Immaterialgüterrecht läßt sich auf Dauer nur aufrechterhalten, wenn man die Kommunikation und den Medienkonsum der Bevölkerung vollständig überwacht – lückenlos und überall – und rechtlich massiv gegen sie vorgeht letztendlich auch mit Gewalt. Ein Zustand den wir sicher nicht haben wollen.
Das erschreckende ist, daß die etablierten Parteien das Problem bisher nicht erkannt haben oder nicht erkennen wollen. Als willfährige Steigbügelhalter der Rechteindustrie erfüllen sie deren Wunsch nach mehr Überwachung des widerspenstigen Volkes, schärferen Gesetzen, und mehr Rechten für die Rechteindustrie selbst – und treiben damit einen Keil zwischen den Staat, der als Handlanger von Industrieinteressen gesehen wird, und dem Volk, dem ein Zusammenhang zwischen Immaterialgüterrecht und Lebenswirklichkeit nicht mehr verständlich zu machen ist.
Die einzige Partei die bisher erkannt hat, daß das Immaterialgüterrecht grundlegend reformiert werden muß sind die PIRATEN